Es gibt ein immer weiter um sich greifendes berechtigtes Misstrauen vieler Menschen gegenüber einer politmedialen Klasse, die immer öfter nicht das tut, was sie vorgibt zu tun – nämlich dem Allgemeinwohl zu dienen. Jüngstes Beispiel: Ex-Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, Patrick Graichen, der augenscheinlich vor allem das Familienwohl im Blick hatte und ungehemmt Posten an Angehörige verteilte. Grünenfreundliche Journalisten mögen darin einen Mann mit ausgeprägtem Familiensinn sehen, für Leute mit gesundem Menschenverstand ist das schamlose Vetternwirtschaft.
Was mich zu einem ähnlichen Thema führt, das vielen Beschäftigen bei weitem nicht so präsent ist wie der grüne Filz in Berlin, obwohl sie genau dieses viel mehr betrifft. Ich spreche vom Co-Management und der Korruption von Betriebsräten in Unternehmen.
Es kommt Bewegung in das Thema
Am 10. Januar 2023 erging hierzu ein wegweisendes Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) in Karlsruhe, das der seit Jahrzehnten geübten Praxis, Betriebsräte mittels Bezahlung von Managergehältern nachweislich zu begünstigen, einen empfindlichen Schlag versetzt hat. Bisher haben das juristische Fallstricke immer verhindert.
Versucht an dem Thema haben sich in der Vergangenheit schon viele, scheiterten aber regelmäßig an der sogenannten Antragsbefugnis. Einer davon ist Prof. Volker Rieble. Er ist seit 2004 Inhaber des Lehrstuhls für Arbeitsrecht und Bürgerliches Recht an der Ludwig-Maximilians-Universität München und kämpft seit vielen Jahren gegen die Praxis der Betriebsratsbegünstigung.
Auch wir von Zentrum haben den Vorwurf der Begünstigung von Betriebsräten der IG Metall bei Mercedes bis vor das Bundesarbeitsgericht in Erfurt getragen – letztlich erfolglos. Aber nicht, weil wir nicht Recht hatten, sondern, weil auch wir laut Gericht nicht antragsbefugt waren.
Bei der sogenannten Antragsbefugnis dürfen nur die im Gesetz, in unserem Falle die im Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG), genannten Personengruppen vor Gericht gehen. Beim Thema Betriebsratsbestechung dürfen das leider nur sehr wenige. Nicht einmal die Staatsanwaltschaft darf auf Grundlage des BetrVG tätig werden. Antragsbefugt sind nur der Arbeitgeber, die im Betrieb federführende Gewerkschaft (in diesem konkreten Fall die IG Metall) und der Betriebsrat in seiner Mehrheit.
Was bedeutet das in Praxis?
Will der Arbeitgeber folgenlos den Betriebsrat bestechen, muss er nur dafür sorgen, dass die federführende Gewerkschaft viele Mitglieder im Betrieb hat (z.B. dadurch, dass schon bei der Einstellung alle Arbeitnehmer einen Mitgliedsantrag dieser Gewerkschaft unter die Nase gehalten bekommen) und dass das Betriebsratsgremium mehrheitlich in der Hand dieser Gewerkschaft ist. Schon sind die antragsbefugten Kreise im selben Boot. Und, oh Wunder: Keiner zeigt sich untereinander an. Dadurch konnte bisher das Trugbild aufrechterhalten werden, dass es so etwas wie Bestechung von Betriebsräten nicht gibt – trotz offensichtlicher Bestechungsindizien wie zu hohe Gehälter für betriebliche Gewerkschaftsfunktionäre.
Weder die Politik noch die Arbeitgeberverbände und schon gar nicht die davon durchgehend profitierenden Funktionäre der DGB-Gewerkschaften hatten jemals ein Interesse, daran etwas zu ändern. Das System schien sich bisher für die großen Player zu rechnen.
Das Aktienrecht – der Schlüssel zum Erfolg
Doch wie heißt es so schön: Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Den fand Prof. Rieble. Nicht das BetrVG, sondern das Aktienrecht wurde von ihm herangezogen. Konkret: Manager verwalten und verfügen über das Vermögen der jeweiligen Aktiengesellschaft. Werden Gelder illegal eingesetzt, machen sie sich der Veruntreuung schuldig.
Im Juristendeutsch liest sich da so: Der objektive Tatbestand der Untreue nach § 266 Abs. 1 Strafgesetzbuch kann erfüllt sein, wenn ein Vorstand oder Prokurist einer Aktiengesellschaft unter Verstoß gegen das betriebsverfassungsrechtliche Begünstigungsverbot (§ 78 Satz 2 BetrVG) einem Mitglied des Betriebsrats ein überhöhtes Entgelt gewährt.
Im Falle der offensichtlichen Bestechung von Betriebsräten bei VW sah dies der BGH in seinem Urteil vom 10. Januar 2023 in erfreulicher Klarheit als gegeben an. Dort verdiente der IG Metall Gesamtbetriebsratsvorsitzende Bernd Osterloh und drei weitere IG Metall Betriebsräte von 2011 bis 2015 zusammen über 4,5 Millionen € – davon allein 750.000 € Jahresgehalt für Herrn Osterloh.
Skandalös ist, dass im Jahre 2005 das damalige VW-Management um den Personalchef Peter Harz schon einmal in einen Korruptionsskandal mit Betriebsräten verwickelt war. Damals ging es in der VW-Affäre aber hauptsächlich um Lustreisen nach Brasilien, Prostituierte und sonstige Verwöhnpakete für führende IG Metall Betriebsräte um den hochbezahlten Betriebsratschef Klaus Volkert.
Gelernt hat man scheinbar daraus nichts. Die Eskapaden rund um Prostituierte wurden zwar offensichtlich nicht wiederholt, die fürstliche Bezahlung lief aber unvermittelt weiter.
Das wird sich jetzt ändern, denn durch dieses Urteil des BGH wissen jetzt alle Manager in Aktiengesellschaften: Am Ende haften sie persönlich dafür, wenn sie Betriebsräte mit zu hohen Gehältern kaufen.
Erste Auswirkungen spüren und sehen wir schon. Hektisches Agieren allen Ortes.
Stellenbesetzungen mit Geschmäckle
Als Dank für seine verdienstvollen Jahre als IG Metall Gesamtbetriebsratsvorsitzender hat das VW-Management Herrn Osterloh rechtzeitig einen Managerposten angeboten. Er wechselte im Mai 2021 vom gut bezahlten „Arbeitnehmervertreter“ ins Top-Management der VW-Lastwagentochter Traton.
Was Herr Osterloh kann, kann ich auch, dachte sich wohl der ehemalige IG Metall Gesamtbetriebsratsvorsitzende der VW Sachsen, Jens Rothe. Auch er hat auf einmal das Interesse an neuen Herausforderungen jenseits der Arbeitnehmervertretung entdeckt. Er bekam dazu ein lukratives Angebot von VW. Er wechselte ebenfalls die Seiten und ist nun seit Anfang März 2023 Personalchef der VW-Manufaktur in Dresden.
Echte Freundschaft zahlt sich eben aus für die IG Metall. Nicht nur bei VW, sondern auch bei anderen großen Konzernen.
Quid pro quo?
Eine Frage bleibt dabei aber unbeantwortet: Was haben denn in der Vergangenheit und Gegenwart die Manager der führenden Konzerne für eine Gegenleistung von der IG Metall entgegennehmen dürfen? Dies scheint niemanden in der Politik, den Medien und der Öffentlichkeit zu interessieren.
Insbesondere im Wirtschaftsleben gilt der Grundsatz „Quid pro quo“ (keine Leistung ohne Gegenleistung). Von daher drängt sich die Frage auf, was man von Unternehmensseite haben will.
Diese Frage sollte sich insbesondere jeder Arbeitnehmer in der deutschen Automobil- und Zulieferindustrie spätestens jetzt einmal selbst stellen. Ob die ausbleibende Kritik und die geräuschlose Zerstörung der deutschen Automobilindustrie, die Deindustrialisierung Deutschlands, der Abbau hunderttausender Arbeitsplätze bei gleichzeitigem Aufbau im Ausland, ein immer weiter um sich greifender Wohlstandsverlust, Altersarmut, Reallohnverlust usw. irgendwie damit zusammenhängen könnten?
Wir jedenfalls sehen hier einen Zusammenhang. Aber wir werden ja bekämpft. Von wem nochmal? Von den Arbeitgebern und den DGB-Gewerkschaften. Na, klingelt es jetzt?