Corona-Aufarbeitung – Warum tun sich viele Verantwortliche so schwer damit?

Wahrscheinlich gibt es viele Menschen, für die das Thema Corona keine Bedeutung mehr hat und die froh darüber sind, wenn nicht mehr darüber gesprochen wird. Das ist verständlich und an und für sich auch kein Problem. Anders verhält es sich aber mit jenen Menschen, die sich als Opfer der damaligen Maßnahmen sehen. „Wir werden einander viel verzeihen müssen“ lautet der Buchtitel von Jens Spahn, dem damaligen Gesundheitsminister. Recht hat er.

Aber dazu gehört eine unabhängige Aufarbeitung der damaligen Zeit. Diese findet aber nicht statt – weder in der Öffentlichkeit noch in den Betrieben. Ohne eine unabhängige Aufklärung werden aber die Opfer der Maßnahmen nicht verzeihen können. Verzeihen funktioniert ja nur, wenn zuvor Fehler eingeräumt wurden und sich daraus die Hoffnung ableiten lässt, dass sich so etwas nicht wiederholen wird.

RKI-Protokolle werfen ein neues Licht auf die Handlungen und Entscheidungen der Verantwortlichen

Dank der mutigen Journalistin Aya Velázquez und mithilfe eines Whistleblowers aus dem inneren Kreis des Robert Koch-Instituts (RKI) sind seit dem 23.07.2024 sämtliche Protokolle des RKI aus jener Zeit ungeschwärzt für die Öffentlichkeit verfügbar – sehr zum Ärger des Gesundheitsministers Karl Lauterbach, der dies mit allen Mitteln zu verhindern versuchte.

Wahrscheinlich wusste er um die darin enthaltene Sprengkraft, denn eine der großen Fragen in jener Zeit lautete: Agierte das RKI unabhängig und auf Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse oder gab es politische Weisungen? Das ist deshalb von großer Bedeutung, weil so ziemlich alle beschlossenen Maßnahmen sich auf die wissenschaftliche Expertise des RKI stützen. Es ist eben ein Unterschied, ob ein Ministerium auf Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse einer Behörde reagiert oder ob diese Behörde das empfiehlt, was das Ministerium zuvor eingefordert hat. Letzteres scheinen nun die vorhandenen Protokolle zu belegen.

Innerbetriebliche Auswirkungen

Wenn es so ist, wie es den Anschein hat, dann hat dies unserer Ansicht nach auch Auswirkungen auf die innerbetrieblichen Bereiche und deren Entscheidungen, denn diese bezogen sich oft auch auf Stellungnahmen des RKI. Die Stellungnahmen des RKI haben in ihrer Wirkung einen autoritativen Charakter, dem sich selbst viele Gerichte kritiklos zu eigen machten.

Viele Menschen, die sich aus persönlichen oder medizinischen Gründen gegen eine Injektion mit einer neuartigen Substanz entschieden haben, gehören mit Sicherheit zu den Opfern. Sie alle mussten bei der Arbeit Erfahrungen mit Ausgrenzung, Schikanen und Anfeindungen erleben. Unvergessen bleiben die diskriminierenden Testungen vor aller Augen, die Ausweissperrungen, die bösen Blicke etlicher Vorgesetzter und vieles mehr.

Aber auch die Menschen, die sich mehr oder weniger unfreiwillig dem massiven Druck gebeugt haben, sind Opfer, denn auch sie waren mit Ausgrenzung und Diskriminierung konfrontiert. Das mag für jene, die sich aus freien Stücken gerne impfen haben lassen, kein Problem gewesen sein. Das ist ihr gutes Recht. Aber es geht bei der Forderung nach Aufarbeitung eben gerade um jene, die vielem schutzlos ausgeliefert waren.

Unsägliche Entgleisungen

So sprach sich Boris Palmer im Umgang mit Ungeimpften für Beugehaft für diese Menschen aus.

Der ehemalige Bundespräsident Joachim Gauck nannte Ungeimpfte „Bekloppte“. Manche Politiker und Gesundheitsexperten forderten eine öffentliche Kennzeichnung von Ungeimpften.

Und Bild TV berichtete stolz über die Jugendarrestanstalt Moltsfelde in Schleswig-Holstein, in der Covid-19-Querulanten eingesperrt werden würden.

Diese wenigen Beispiele sollen verdeutlichen, was für eine aufgeheizte Stimmung im Land herrschte und eben auch in die Betriebe überschwappte. Kollegen, die zuvor oft jahrzehntelang gut miteinander ausgekommen waren, gifteten sich plötzlich an.

Forderung nach innerbetrieblicher Aufarbeitung

Von daher ist es unserer Ansicht nach notwendig, dass es nicht nur eine Aufarbeitung im Land, sondern auch in den Betrieben gibt. Denn es ist eben nicht alles gut gelaufen. Zuviel wurde einfach kritiklos übernommen und oft wurde mit unnachgiebiger Härte gegen jene vorgegangen, die nicht ins Schema passten.

Licht am Ende des Tunnels

 Doch es tut sich etwas bei den Gerichten. So hat das Verwaltungsgericht Osnabrück zur Frage der einrichtungsbezogenen Impfpflicht mit Verweis auf die nun vorliegenden Protokolle der RKI das Verfahren ausgesetzt und zur erneuten Entscheidung dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt. Jetzt muss das Bundesverfassungsgericht mit dem neuen Wissen prüfen, ob es ein von ihm selbst getroffenes Urteil revidieren muss. Geschieht dies, hätte das weitreichende Folgen.

In Bayern setzt sich der Ministerpräsident Markus Söder vorsichtshalber schon einmal für eine Amnestie für Menschen ein, die er zuvor als Hardliner während der Corona-Zeit noch scharf angegangen ist. Vielleicht ahnt er schon, dass wir uns alle noch viel zu verzeihen haben.

 

Oliver Hilburger
Zentrum – Gewerkschaftsvorsitzender

 

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